Fleygurs Leben, kurz aber intensiv

 

Am 20.05.2012 erblickte ein kleiner brauner Hengst um 8:25 Uhr das Licht der Welt. Es dauerte nicht lange, da stand der kleine Mann schon neben seiner Mutter und fing an zu trinken. Ich war sofort hin und weg von dem kleinen Geschöpf und sehr stolz auf seine Mama Lista, die ihr erstes Fohlen zur Welt brachte. 

Schon am Nachmittag flitze der Kleine wie ein wilder über die ganze Wiese und bekam so am Abend den Namen Fleygur von mir. Zu deutsch bedeutet dieser Name der Fliegende.

Die ersten drei tage verbrachten Fleygur und seine Mutter getrennt von der anderen Stute, die auch ein Fohlen erwartete.

Am vierten Tag ließ ich sie dann alle zusammen und es war auch alles problemlos und ruhig. Zwei Tage später hatte Lista eine kleine Trittwunde hinten rechts am Bein.

Gut ich dachte mir nichts Böses, eine Tierärztin guckte sich das an, gab ihr was gegen Schmerzen und Entzündung und machte einen Angussverband, welchen ich alle zwei Tage wechseln sollte. 

Nach einer Woche war Lista jedoch immer noch lahm, trotz Schmerzmittel.

Leider nahm die behandelnde Tierärztin die ganze Sache nicht so ernst und kam erst nach einer weiteren Woche zum röntgen. Diagnose: Griffelbeinbruch, mit schon verschobenen Griffelbein, ohne Operation keine Heilung…

Na super dachte ich, damit musste Lista nun zwei Wochen  rum laufen.

Ich bin dann noch am selben Tag mit den Röntgenbildern in die Klinik gefahren. Vor Ort guckte eine Tierärztin kurz drauf und sagte, das muss so schnell wie möglich operiert werden und wir müssen hoffen, dass das Gewebe drum herum noch nicht entzündet ist. 

Ich war ziemlich schockiert… Was habe ich meiner Lista da nur angetan…

 

Zwei Tage später hatte Lista dann ihre OP und der kleine Fleygur, der nun grade mal drei Wochen alt war musste schon Sediert werden, um die Zeit ohne Mama nicht so sehr mit zu bekommen.

Als ich in die Klinik kam, um die beiden zu besuchen, war Lista grade aus der Aufwachbox zurück gekommen. Mama und Fohlen waren beide noch sehr neben der Spur, aber nur eine Stunde später waren beide wieder voll da und hatten Hunger.

Schon am nächsten Tag durften die Beiden wieder nach Hause! Der Offenstall auf der Fohlenweide wurde kurzer Hand zu einer schönen großen Box umgebaut, da für Lista ja nun erstmal Boxenruhe angesagt war.

Täglich habe ich Lista am Strick ein wenig grasen lassen und der Kleine konnte in der Zeit ein wenig toben, wir haben brav alle Medikamente genommen und auch die Verbände regelmäßig gewechselt.

Später sollten wir nur noch normal Bandagieren, da das Bein immer dick war, hatten wir den Verdacht das der Verband bei der Sommerhitze zum anlaufen des Beines führte. Zudem hatten sich schon Druckstellen am Röhrbein gebildet.

Die Bandage hatte Lista jedoch jeden Morgen gekonnt abgestriffen, was wiederum zu einer Entzündung der Druckstellen und das Bein wurde auch nicht dünner.

Also noch mal röntgen und siehe da, es tauchte noch eine Fissur am Röhrbein auf… Ob das nun von dem Tritt vor drei Wochen kam, oder nachträglich konnte keiner sagen.

Auf jeden Fall erklärte dies das dicke Bein. Noch mehr Medikamente und langsame Bewegung bekamen wir verordnet um das Bein wieder dünn zu bekommen.

 

Also zogen wir Tagtäglich unsere Runden auf der Ovalbahn, begannen mit fünf Minuten und steigerten uns alle zwei Tage um fünf Minuten mehr. Irgendwann sind wir dann zwei mal täglich eine Stunde gelaufen, Fleygur natürlich immer mitten drin. Er fand das ganze super jeden Tag kam ich und machte Ausflüge mit ihm, außerdem hatte ich unterdes immer die andere Stute samt Fohlen zu grasen auf die Ovalbahn gelassen, so dass die Fohlen immer spielen konnten.

Als Lista dann endlich wieder normal laufen durfte, habe ich es gewagt und die Stuten und die Fohlen zusammen gelassen, diesmal war ich schlauer und habe alle ecken sicher gemacht und die Weide war mittlerweile sehr groß. Es klappte auch alles super und nach ca. drei Monaten konnte ich endlich anfangen die ganze Fohlensache zu genießen!

Wenige Zeit später war das Pferdestammbuch auf dem Hof um die Fohlen zu beurteilen, die Stuten und Fohlen ein zu tragen und die Zwerge zu Chippen.

Gut bei unserer Vorgeschichte war nicht viel zu erwarten. Zudem fehlenden Training von Lista waren auch die Witterungsverhältnisse nicht grade super.

Außer Tölt und Pass war eben nicht sehr viel vorhanden aber Fleygur hat sein bestes gegeben und stand bei Chippen als wäre es das normalste von der Welt.

 

Die nächsten Monate verliefen dann endlich so wie es sich für ein Fohlenleben gehörte, spielen, schlafen und fressen.

 

Mitte November stand dann für Fleygur, der mittlerweile gelernt hat am Halfter zu laufen, der Umzug in das Leben ohne Mama an. Aufregend für alle beteiligten! Während Lista zu Hause bleiben musste und zu Sicherheit mit viel Futter in eine Box neben den anderen Pferden kam, stieg Fleygur vorbildlich in den Anhänger und trat die Reise an.

Eine gute Stunde später waren wir am Zeil angekommen. Hänger auf und gucken was passiert. Fleygur guckte neugierig heraus, wusste aber nicht so ganz wie er aus dem Hänger kommen sollte, kurz nachgeholfen und schon stand er mitten in seinem neue Zuhause. Seine beiden neuen Kumpels mussten sich noch auf dem Paddock gedulden, machten sich aber lautstark bemerkbar. 

Erstmal wurde die ganze Koppel angelaufen und plötzlich hatte der kleine Mann auch Trab, was vorher so gut wie nie vorkam! Fleygur lief bei den nebenan stehenden Stuten auf und ab und lief auch zum Zaun hinter dem seine neuen Freunde warteten.

Nachdem er sich alles angeguckt hatte, ließen wir den ersten dazu, ein Shettyisimix, zweijährig. Kurzes gequitsche und schon wurde sofort los getobt. Und das es so gut klappte durfte der zweijährige Isländer auch gleich dazu und das Glück war perfekt, viel gerenne und getobe bis sie nicht mehr konnten, aber Fleygur hatte endlich die Spielgefährten die ihm bisher fehlten!

 

Von nun an besuchte ich Fleygur einmal im Monat, da ich ja wusste das er dort super versorgt war und er in Ruhe groß werden sollte. Wenn ich da war machte ich eigentlich nie mehr als mich zu den Jungs auf die Wiese zu setzen und sie zu beobachten. Ich saß ein paar Stunden einfach da und freute mich darüber wie gut Fleygur sich entwickelte.

Bis zu dem Tag der alles verändert hat…

 

Am 11.08.2013 musste ich bis 20 Uhr arbeiten, freute mich auf den Feierabend, denn am nächsten tag wolle ich wieder mal zu Fleygur fahren.

 Ich erinnere mich dran als wäre es gestern gewesen… Nach Feierabend guckte ich wie immer auf mein Handy und sah drei Anrufe in Abwesenheit, alle grade erst vor einer halben Stunde und von der Betreuerin von Fleygur. Ich wusste sofort das was passiert ist, denn sonst haben wir immer nur geschrieben und nicht telefoniert.

Ich rief noch auf dem Weg in die Umkleide zurück, kurz wurde mir geschildert was passiert war.

 

Fleygur und sein Kumpel haben mal wieder wie die verrückten getobt und liefen die Koppel auf und ab. Während einer schon wieder zurück rennen wollte, war der andere wohl noch auf dem Weg in die andere Richtung und die beiden Hengste rannten ohne aus zu weichen aufeinander zu und prallten Frontal Schulter an Schulter zusammen… 

Laut der Aussage der zwei Mädels die zum Glück noch vor Ort waren, sank Fleygur zusammen und blieb erstmal regungslos liegen.

Kurz darauf kam er wieder hoch, stand auf und blieb auf drei Beinen stehen. Das vierte Bein, vorne links ließ er sofort regungslos hängen und stellte sich nicht mehr drauf.

Die Mädels riefen sofort bei den Besitzern der Koppel und des anderen Hengstes an und die Kümmerten sich um den Tierarzt. Während sie dann versuchten mich zu erreichen fuhren sie selber sofort zu Koppel.

 

Ich stand immer noch in der Umkleide auf der Arbeit, als ich das alles hörte, sagte nur ich bin sofort da, legte auf, sprang in meine Klamotten und rannte zum Auto… Die fahrt dauerte normalerweise gute 40 Minuten, aber ich raste nur noch Kopflos über die Autobahn und war so nach gut 25 Minuten am Ziel.

Während der ganzen Fahrt gingen mir tausend Sachen durch den Kopf, was ist passiert? Warum ist es passiert? Wird er wieder laufen können und es überhaupt überleben? Sehe ich ihn jetzt das letzte Mal und muss mich von ihm verabschieden?

An der Koppel angekommen stand die Tierärztin schon auf der Wiese neben Fleygur und ich lief gleich zu ihr. 

Sie erklärte mir, das sie auf dem ersten Blick keinen Bruch oder ähnliches feststellen könnte, das Bein offensichtlich normal durchblutet wird jedoch jedes Gefühl fehlt. 

Sie schlug mir zwei Möglichkeiten vor, entweder Fleygur würde über Nacht nach oben an den Stall in eine Box kommen und wir würden das ganze am nächsten Tag noch mal begutachten und weiter entscheiden, oder wir fahren sofort in die Klinik und gucken da weiter. 

Meine Entscheidung stand sofort, ab in die Klink mit ihm, dort wäre dann wenigstens unter Beobachtung und man kann dort besser nach einer möglichen Ursache gucken.

 

Ich wartete also bei Fleygur, der kraftlos seinen Kopf auf meine Schulter legte, bis der ärger da war. Mittlerweile war es dunkel und es begann auch noch zu regnen. Trotz dieser Verhältnisse ging Fleygur ohne zu zögern auf den Anhänger und da wir uns sicher waren, dass er die weite Fahrt nicht alleine schaffen würde, fuhr ich hinten bei ihm mit.

Wieder ging mir alles durch den Kopf, ich weinte, verabschiedete mich von dem tapferen Kerl, der sich gegen die Wand lehnte und den Kopf auf der Stange ablegte. Dann bekam ich wieder Mut und redete uns ein, dass wir das Schaffen, egal wie. 

Es war gegen 23 Uhr, als wir in der Klinik ankamen. Die Tierärztin, die an der Koppel war, hatte die Tierärztin in der Klinik bereits per Telefon informiert und die Lage geschildert. Trotzdem war sie sehr überrascht, als wir den Hänger öffneten, wie schlecht es in der Realität aussah. Scheinbar dachte sie Fleygur würde das Bein nicht belasten, aber wenigstens hinstellen… 

Nach Röntgen und Ultraschall stand zumindest schon mal fest, dass nichts Offensichtliches kaputt gegangen ist. Die Schulter war leicht angeschwollen und alles deutete nun darauf hin, dass durch den Aufprall sofort ein Bluterguss erschien, der den Hauptnerv des Beins eingeklemmt hat. 

Dieser Nerv verläuft sehr oberflächlich über der Schulter und es ist wohl gar nicht so selten, dass wenn ein Pferd mal einen tritt ab bekommt oder ähnliches, das Pferd mal lahmt. Das es jedoch zu einer solchen Lähmung des Beins kommt ist nicht als zu häufig. Fleygur bekam etwas zum abschwellen des Blutergusses, in der Hoffnung, dass der Nerv wieder frei gelegt wird und das Gefühl in dem Bein schnell wieder kommt.

Nach all dem schleppte der kleine sich in die Box und legte sich dort sofort hin.

Bis ich dann wieder zurück an der Koppel war, dort mein Auto holte und zu Hause war, war es bereits zwei Uhr nachts. 

Am nächsten Tag bin ich in die Klinik gefahren, um Fleygur zu besuchen und zu gucken wie es nun weiter gehen sollte. Ich ging zur Anmeldung, wo mir aber niemand so richtige Informationen geben konnte. Ich sollte zu Fleygur gehen und warten, es würde gleich ein Tierarzt kommen und mir sagen wie es aussieht. Ich ging also dahin wo wir Fleygur in der Nacht zuvor hin brachten, ich guckte in die Box und fand einen Haufen elend vor… 

Er lag da kraftlos in der Box und schleif. An der Box hing ein Zettel auf dem stand: 

 

Radialislähmung, Pferd liegen lassen

 

Ich setzte mich vor die Box und wartete, während Fleygur immer wieder aufstand, sich auf dem gesunden Bein hin und her drehte und sich dann wieder fallen ließ… Nach eineinhalb Stunden kam endlich eine Tierärztin, sie guckte kurz in die Box und sagte dann, sie würden ihn jetzt erstmal drei Tage beobachten und dann gucken wie es weiter geht. Naja und sollte sich in den drei Tagen nichts bessern, könnten sie ihm nicht mehr helfen. 

Super was soll man dazu sagen. Ich fragte sie, ob man nicht irgendwas tun müsste wegen des anderen Beins und sie sagte nur das er nicht so schwer ist und es kein Problem ist.

 

Sie ging also wieder und ich stand da und dachte nur, dass das doch nicht das Ende sein kann… Ich sprach mit der Besitzerin des anderen Pferdes, sie hatte sich etwas erkundigt und sagte mir das es so etwas wie einen Swinglifter gibt, der das Gewicht des Pferdes trägt und somit die Beine entlastet. Die Klinik in der wir waren hatte so einen Swinglifter, nur war dieser zur Zeit belegt und man wusste nicht wann er frei werden würde. Dann rief sie mich noch mal an und sagte es gäbe noch eine Klinik in der Nähe die auch einen Lifter hat und gab mir die Telefonnummer. 

Ich habe in der Klinik angerufen und dort mit den Chefarzt gesprochen und ihm die Situation geschildert. Er sagte er würde das Pferd sofort in den Lifter hängen und das Bein Schienen, damit sich die Sehnen nicht verkürzen und das gesunde Bein bandagieren, um es zu entlasten. Er sagte wir könnten sofort kommen.

Also habe ich einen Hänger und einen Fahrer organisiert und der “behandelnden Tierärztin” gesagt das ich es für eine bessere Idee finde zu gehen und wo anders hin zu fahren. Sie war nicht begeistert und fragte mich, ob ich nicht denken würde, dass das ganze den Wert des Pferdes übersteigen würde. Also nach der Aussage war ich mir erst recht sicher das richtige zu tun. 

 

Wieder eine Stunde fahrt und ich bin zur Sicherheit wieder hinten mit gefahren. Als wir da ankamen wurden wir von zwei Tierärztin und zwei Helfern erwartet. Im Behandlungsraum haben sie sofort das kaputte Bein gestreckt und bandagiert, schienen war noch nicht möglich, da nur diese 24 Stunden nichts tun schon dazu führten, dass die Sehnen nicht mehr dehnbar waren. Das gesunde Bein wurde auch bandagiert und er kam in seine Box. Dort haben sie gleich mal das Geschirr vom Swinglifter getestet. Fleygur ließ das alles ganz cool über sich ergehen, aber ich glaube er spürte, dass ihm nun geholfen wurde. Das Geschirr wurde wieder abgenommen, denn über Nacht wollten sie noch nicht riskieren ihn da drin zu lassen. 

Ich erinnere mich gut an den Satz einer der beiden Ärztin, sie sagte wir bekommen das wieder hin und in einem Jahr wird man es nicht mehr sehen. 

Ja ich war sehr froh über diese Aussage, ahnte aber nicht das der Weg dahin sehr schwer werden würde…

 

Am nächsten Tag kam ich in die Klinik und wurde von den Ärzten über die Untersuchungsergebnisse und den Behandlungsplan aufgeklärt. Anschließend ging ich zu Fleygur, er hing schon Im Lifter und tat so als hätte er nie etwas anderes gemacht. Er hatte schnell eine Taktik entwickelt sich damit in der Box fort zu bewegen, er drehte sich einfach über die Hinterhand im kreis und bei dem letzten Satz nach vorne hüpfte er einfach ein Stück vor. Okay es wäre sicher auch leichter gegangen, aber immerhin hatte er einen Weg gefunden. Das Bein war nun auch schon in einer Gipsschiene, noch nicht ganz grade gestreckt, aber soweit es eben ging. So sollte er nun erstmal eine Woche bleiben, damit die Sehnen sich langsam wieder daran gewöhnen konnten. 

 

 

Von nun an fuhr ich jeden Tag und später jeden zweiten Tag hin und besuchte Fleygur, ich saß meistens einfach nur in seiner Box und beobachtete ihn. An den Tagen an denen ich nicht da war, rief die Klinik an und berichtete, sobald es was neues gab, doch es war eine sehr lange Zeit immer nur das gleiche. Einmal die Woche Gipswechsel. Das Bein ging wieder vollständig zu strecken und nach ein paar Wochen konnte man sehen, dass er scheinbar wieder Gefühl in das Bein bekam, denn wenn der Gips ab war, zuckte er mit dem Bein etwas hin und her. Ein paar Tage ließen sie den Gips ab, in der Hoffnung er würde anfangen das Bein wieder etwas selber zu nutzen. Leider tat er das nicht und der Gips musste wieder ran. An einem anderen Tag kam ich zu ihm und er stand ohne Lifter in der Box, später kam eine Helferin und sagte, dass er wohl über Nacht aus dem Lifter geklettert ist, wie auch immer, auf jeden Fall  durfte er diesen Tag mal ohne den Lifter bleiben. 

Und dann kam irgendwann der Tag an dem die Klinik anrief und mir freudig mitteilte, dass sich das Bein gebessert hätte und sie sogar ein paar Schritte aus der Box gegangen sind. Die Gipsschiene sollte von nun an nur noch Nachts dran kommen und am Tage sollte er so laufen. Sie gingen zweimal Täglich mit ihm aus der Box und zurück und später dann den Gang auf und ab. Wenn ich da war machte ich das dann zusätzlich mit Fleygur und es wurde immer etwas besser. Während dieser ganzen Zeit bekam Fleygur zusätzlich einen starken Husten mit Nasenausfluss, er wurde Endoskopiert um zu gucken wie schlimm es ist. Er bekam dann neben den eh schon vielen Medikamenten nun auch noch was gegen die Infektion. Nach ein paar Tagen durfte ich dann mit ihm nach draußen grasen gehen. Er war sichtbar glücklich nach vielen Wochen in der Box auch mal wieder raus gehen zu können und Gras fressen zu dürfen. 

Er wurde nun von der letzten Box nach ganz vorne verlegt, da er nun den Lifter nicht mehr brauchte und so mehr vom Geschehen mit bekam um sich nicht so sehr zu langweilen.

 

Ich ging nun täglich 15 Minuten mit ihm laufen, also eigentlich gingen wir nur einmal über das Klinikgelände, dazu brauchte man normalerweise nur zwei Minuten. Anschließend gingen wir dann immer noch eine halbe Stunde grasen, wenn er dann zurück in die Box kam war er sichtlich kaputt, aber es wurde immer besser. Fleygur bekam ein vollen rundum Service mit putzen, lieb haben und spazieren gehen. Jeder kannte ihn nach dieser langen Zeit und er war so etwas wie ein Maskottchen geworden. Sie nannten ihn dort “den Keks” und für einen eineinhalb Jährigen Hengst war er tatsächlich ein echter Schatz. Der Chef der Klinik hatte mir angeboten, Fleygur auf Klinikkosten noch etwas da zu behalten und ihn langsam im Aquatrainer auf zu bauen. Ich stimmte zu, auch wenn ich ihn natürlich lieber zu Hause gehabt hätte. Sie begannen damit Fleygur an den Aquatrainer zu gewöhnen, in dem sie ihn erstmal durch führten und ihn dann auf dem Laufband laufen ließen. Nach ein paar Tagen stellte sich jedoch heraus, dass Fleygur noch nicht stark genug war um im Wasser laufen zu können. Ich beschloss also ihn endlich nach Hause zu holen, denn laufen konnte ich auch zu Hause mit ihm.

 

Am 04.11.2013, nach ganzen drei Monaten war die lange Zeit in der Klinik endlich zu Ende und Fleygur durfte nach Hause. Dort war schon eine Box mit anschließendem Paddock für ihn vorbereitet und vor allem hatte er dort direkten Kontakt zu den andern Pferden. Ich dachte wir hätten das schlimmste geschafft und müssten nun einfach wieder Muskeln aufbauen und viel laufen üben, aber da hatte ich mich wohl zu früh gefreut.

 

Die ersten Tage lief alles ganz gut am Tage durfte er aufs Paddock und war auch sehr glücklich darüber und Nachts hatte er seinen Kumpel in der Box nebenan. Ich ging täglich mit ihm auf dem Hof auf und ab und es sah eigentlich alles ganz gut aus, Abends wenn er rein kam war er sichtlich erschöpft aber es ging ihm gut.

Nach nicht mal ganz einer Woche ging ich wie jeden Morgen zu Fleygur und er stand plötzlich wieder auf drei Beinen…

 

Ich ließ den Tierarzt kommen und in Absprache mit der Klinik bekam er wieder neue Medikamente. Da es aber auch nach drei Tagen nicht besser war, kam dann eine der Tierärztin aus der Klinik, sie passte ihm wieder eine Schiene an die er Nachts tragen sollte, um das Bein wieder zu strecken und Nachts zur Ruhe kommen zu lassen. Leider stellte ich nach weiteren drei tagen fest, dass Fleygur sich jede Nacht mit der Schiene fest gelegt hat und nicht mehr hoch kam. Er lag also jede Nacht in der Box und hat sich förmlich in die Hose gemacht, da er alleine nicht mehr hoch kam. 

Ich wusste nicht mehr was ich machen sollte, er hatte sich und sein Bein sichtlich aufgegeben und auch die Tierärzte wussten nicht mehr weiter… 

Ich war an einem Punkt angekommen an dem ich aufgeben wollte… Fleygur schleppte sich dreibeinig aufs Paddock, lag da stundenlang rum und schleppte sich irgendwann wieder rein. Ich habe mich also zwei Tage lang damit beschäftigt ihn zu erlösen, mir ging alles durch den Kopf, wann und wo, ich hatte mir alles überlegt. 

 

Dann kam ein neuer Tierarzt ins Spiel, ich muss gleich dazu sagen, ich wäre selber nicht auf die Idee gekommen, bin der Person die sich dafür eingesetzt hat sehr Dankbar, aber das ist eine andere Sache. Jedenfalls kam dieser Tierarzt auf den Hof und ich muss wieder dazu sagen ich konnte dieses Mann von Anfang an nicht leiden, aber er war unsere letzte Chance und er hat Fleygur wohl das Leben gerettet. Er untersuchte ihn also und sagte er würde es wieder hin bekommen, mit viel Arbeit, aber es würde klappen. Er spritzte Fleygur Luft unter die Haut an der Schulter und behandelte ihn mit Laserakupunktur, zusätzlich sollte ich Fleygur eine Decke besorgen, die wärme erzeugend ist. Dann sollten wir so oft wie möglich das Bein strecken und dehnen und ihm die Schulter massieren. Und obendrauf sollte ich sämtliche Medikamente absetzen und eine spezielle Kräutermischung zufüttern. 

So ging es nun also weiter, jeden Tag haben wir also gestreckt, gedehnt und massiert. Einmal die Woche bekam er dann eine Laserakupunktur und nach der zweiten oder dritten Akupunktur ging es Fleygur schon sichtbar besser. 

Ich rief zwischendurch die Besitzerin des anderen Pferdes an, mit dem Fleygur damals zusammen gestoßen ist. Sie hatte grade eine Ausbildung zur Ostheopatin für Pferde gemacht und ich bat sie vorbei zu kommen und sich Fleygur an zu gucken. Sie kam also und machte eine umfassende Untersuchung, behandelte ihn mit einer Magnetfelddecke und ließ mir ein Tenzgerät da, mit dem ich ihn einmal täglich zusätzlich behandeln sollte. Das Tenzgerät sendet kleine Stromstöße aus und soll damit die Muskulatur zusätzlich zum arbeiten anregen. Tja was soll ich sagen, es war eine anstrengende und intensive Zeit aber es wurde langsam besser. Fleygur musste lernen sein Bein wieder zu benutzen, also musste man ihn ständig dran erinnern, anfangs musste man sein Bein dazu immer nach vorne stellen, später reichte es wenn man das Bein mit der Gerte antickte und dann musste man ihn nur noch angucken und er stellte das Bein nach vorne. Er war genervt davon, aber er tat es. Wir fingen wieder an laufen zu gehen, erst nur auf dem Paddock und dann auch wieder auf dem Hof, bei jedem Schritt musste man das Bein anticken und ihn dran erinnern es mit zu nehmen. 

 

Wir machten also langsam Fortschritte, doch Fleygur langweilte sich sehr so alleine und ich wollte gerne, dass er einen Kumpel bekommt. Doch leider gab es seit längerer Zeit Spannungen auf dem Hof, schon weit vor Fleygurs Verletzung und nun war ein Zeitpunkt erreicht, an dem ich was machen musste. Ich habe also nach einem passenden Spielkameraden gesucht und Herby gefunden. Und es bestand die Möglichkeit dort mit Lista und Fleygur hin zu gehen. Lista konnte dort in eine kleine gemischte Offenstallherde und Fleygur kam direkt nebenan in die Junghengstherde. Dort hat er aber erst einmal sein eigenes Paddock samt Offenstall bekommen. Es war toll zu sehen, wie gut Fleygur die Gesellschaft gleichaltriger tat, er lief viel mehr von alleine am Zaun auf und ab um immer in der Nähe der anderen zu sein. Durch das eigenständige Laufen vergaß er auch die Probleme mit seinem Bein und lief von Tag zu Tag besser. Nach zwei Wochen bekam er dann Herby mit auf sein Paddock und es dauerte nicht lange und die beiden wurden super Kumpels.

Ich ging mit den Beiden zusammen auf der Koppel vor dem Paddock spazieren und es wurde immer besser. Es dauerte nicht lange und die beiden konnten dann gemeinsam in die Hengstherde. Fleygur lief noch lange nicht wieder normal, aber er belastete alle vier Füße wieder voll und er spielte mit den anderen. 

Fleygur bekam noch mal eine volle ostheopatische Behandlung und wir bekamen Hausaufgaben zum weiter machen. 

Im Frühjahr holten wir eine meiner neuen Stuten auf den Hof und die Stute (Yrla) kam zu Lista in die Herde.

Im Sommer ging Lista zum Decken zum Hengst und ich entschied mich dazu, Yrla zu Fleygur zu stellen. Für Fleygur war es der erste Kontakt zu einer Stute und er war sehr vorsichtig und respektierte das Yrla anfangs ihre Ruhe haben wollte.

 

Einen Monat später wechselten wir auf eine Sommerweide, Fleygur, Herby und Yrla kamen zusammen mit einem weiteren Jährlingshengst auf eine große schöne Weide. Es war dort sehr hügelig und ich bin mir sicher, dass das einen großen Teil dazu beitrug, dass Fleygur mittlerweile wieder vollkommen normal lief. 

Ich erinnerte mich an die Worte der Tierärztin aus der Klinik die sagte, das man in einem Jahr nichts mehr sehen würde und nun war dieses Jahr fast um und sie hatte recht. 

Lista und eine weitere neue Stute namens Aradís kamen mit in die kleine Herde und das ganze war sehr harmonisch. 

 

Und dann kam ein Tag der alles verändert hat…

 

Es war der 19.08.2014 und ich fuhr wie jeden Tag zu den Pferden, machte das Müsli fertig und sah von weitem das die Pferde ganz unten auf der Weide standen. Ich ging zum Zaun und rief sie, sie kamen alle angelaufen nur Fleygur fehlte. Ich rief noch mal und dachte er würde vielleicht um die Ecke stehen. Ich verteilte das Müsli und ging nach unten und rief weiter. 

In dem Moment, als ich nach unten ging und feststellte, dass Fleygur da wohl auch nicht war wurde ich ziemlich panisch. Ich fing an zu rennen, ich rannte über die ganze Koppel, guckte in die Teiche die auf den Koppeln waren, in der Hoffnung das er da vielleicht drin stand und nicht so schnell raus kam. Aber auch da war er nicht, ich rannte am Zaun entlang doch nirgendwo war etwas zu sehen.. Ich rief die Besitzer der anderen beiden Pferde an die auch auf der Koppel standen und sagte ihnen, dass Fleygur weg war… Panisch rannte ich zurück, schnappte mir sein Halfter und rannte außen an der Koppel die Wege entlang ich der Hoffnung spuren zu finden. Doch auch da konnte ich nichts entdecken… 

Als ich zurück am Auto war, rief ich die Polizei an, sie sagten sie würden einen Streifenwagen vorbei schicken. 

Während ich auf die Polizei und die Pferdebesitzer wartete lief ich noch mal die Wege ab… Und noch mal…

Dann kam der Streifenwagen den Weg runter gefahren und ich lief ihnen entgegen. Ich weiß noch das es zwei Männer waren, die aus dem Wagen stiegen. Sie fragten mich wie das Pferd aussah und wann ich ihn zuletzt gesehen habe. Ich antwortete und sagte das ich gestern Mittag zuletzt da war und ihn gesehen hatte. Und er fragte mich noch mal wann ich das Pferd zuletzt gesehen habe, er sagte es sei sehr wichtig es genau zu wissen. Ich war verwirrt und überlegte, aber es stimmte nicht ich hatte ihn den Tag vorher nicht gesehen. Ich war kaputt von der Arbeit war nur kurz da, füllte Wasser und Heu auf und bin dann wieder gefahren, weil ich schlafen wollte… Ich sah die Pferde an dem Tag nur von weiten und habe ehrlich gesagt nicht darauf geachtet, ob alle da waren. 

Ich sagte es dem Polizisten und er sagte mir das es am Tag zuvor nicht weit von der Koppel einen Unfall gab. Ein Pferd war vom Zug erfasst worden… 

In diesem Moment… Der Polizist redete weiter, aber ich hörte ihn nicht mehr… Ich sah noch das hinter dem Streifenwagen ein Auto kam… Aber ich sank zu Boden und war nur noch am weinen. In dem Auto war der Freund der anderen Pferdebesitzerin und seine Schwester.

Er redete mit der Polizei, gab ihnen meine Daten und die Polizei fuhr wieder… Der Rest des Tages war ziemlich Chaotisch und ich kann mich nicht mehr an alles erinnern… Wir haben die anderen Pferde noch am selben Tag in einen anderen Stall gebracht, denn in einem waren wir uns alle einig, Fleygur hat nicht freiwillig und nicht alleine den Weh von der Koppel gefunden… Er hing sehr an seiner Herde und vor allem an Yrla, zudem war der Zaun nirgendwo kaputt und viel zu hoch dafür das er drüber gesprungen ist. Er lief zwar wieder ziemlich normal, aber springen wäre undenkbar gewesen und wenn er es versucht hätte, wären Spuren zu sehen gewesen. 

 

Es vergingen ein paar Tage, ich konnte und kann auch immer noch nicht glauben was da passiert ist… Ich telefonierte mit einer Polizistin, die am Unfallort war und sie sagte mir, dass die Stelle sehr schwer zu Fuß zu erreichen war und sie sich nicht vorstellen konnten, wie ein Pferd dort alleine hin gekommen sein soll. Ich fragte sie ob das Pferd ein Halfter trug oder etwas anderes oder ob mal einen Chip auslesen konnte. Doch sie sagte mir es sein vor Ort ziemlich schlimm gewesen und man hätte nicht mal mehr erkennen können, dass es sich um ein Pferd handelte… Es war grausam das zu hören, aber ich wollte doch sicher sein das es wirklich Fleygur war und er nicht noch irgendwo herum irrt. 

Sie sagte mir auch das die Bahn für die Entsorgung der Überreste zuständig sei. Die Polizei sagte mir an welcher Stelle der Unfall geschehen war. Ein paar Tage später bin ich mit einer Freundin dort hin gefahren. Wir wollten eine Blume und Kerzen dort hin bringen und gucken ob man irgendwas finden kann. Wir liefen an den Gleisen entlang und in unmittelbarer Nähe der Unfallstelle fand ich ein Stück Knochen, es war ein Stück eines Pferdeunterkiefers. Wir gingen weiter und fanden die genaue Stelle, man konnte genau erkennen, wo es zum Aufprall kam und wo der Zug zum stehen kam…

Es war eine ziemlich lange Bremsspur die aus Blut und Haaren bestand… Lange schwarze Schweif oder Mähnenhaare… An dieser Stelle werde ich nicht weiter ausführen was wir noch alles dort gefunden haben… Ich sammelte ein paar Haare und Zähne ein und wir wollten wieder zurück gehen, denn während der ganzen Zeit die wir da waren, fuhren mehrere Züge an uns vorbei und wir wollten nicht noch Aufmerksamkeit erregen. Als wir also zurück gehen wollten wunderten wir uns über den starken Geruch von Verwesung, guckten ins Gebüsch und dachten uns das ja wohl niemand das tote Pferd in den Knick geschmissen haben wird. Von hinten kam ein Zug und wir gingen weiter, als ich plötzlich links ins Gestrüpp guckte, sah ich etwas braunes dort liegen. Ich war total schockiert meine Freunden sah es auch schob mich weiter und sagte ich solle nicht weiter hingucken… Wir waren beide so verstört das wir anfingen zu weinen. Im selben Moment hielt der von hinten kommende Zug neben uns und der Schaffner brüllte uns an, dass wir sofort verschwinden sollten und ehe wir auch nur etwas sagen konnten brüllte er noch mal und sagte wir sollen weg, aber nicht über die Gleisen… Sehr lustig um dort weg zu kommen mussten wir aber über die Gleisen… Wir warteten bis der Zug weg war und liefen schnell über die Gleisen. Ich war immer noch schockiert, denn war das dort eben tatsächlich ein Teil des Pferdes? 

 

Zwei Tage später fuhr ich noch einmal dort hin um Fotos zu machen mit denen ich zur Polizei gehen konnte. Wir waren wieder zu zweit und ich steuerte zielsicher die Stelle vom letzten Mal an, diesmal aber auf der Hut nicht von Zügen gesehen zu werden. Dort angekommen fand ich schnell einen Teil des Pferdes und ja es war 100 prozentig Fleygur, doch es war nicht der Teil den wir das letzte Mal gesehen hatten, also ging ich weiter und fand den anderen Teil. Kaum zu fassen da hat die Bahn doch tatsächlich mein Pferd, der offensichtlich in zweiteile gerissen worden ist, einfach in den Knick entsorgt… Wir machten die Fotos und fuhren direkt zur Polizei. Die kümmerten sich dann darum, dass Fleygur dort weg geholt wurde und wirklich richtig “entsorgt” wurde.

 

 

 

Abschließend bleibt mir also nichts als die Ungewissheit, wie das alles passieren konnte. Warum Fleygur spurlos von der Koppel verschwand. Warum er ausgerechnet auf den Gleisen landete und warum die Bahn und die Polizei bei Nachfrage verleugneten das es jemals einen Unfall gab. Selbst auf Anfrage des Hamburger Abendblattes wurde mehrfach gesagt das nie etwas passiert ist. Nach mehrfacher Nachfrage gaben sie es dann aber doch zu… 

 

Das war also das Ende von Fleygur? 

Ja irgendwie schon und dann auch wieder nicht, denn einige Wochen später wurde Yrla tragend geschallt und auch die Haflingerstute der Freundin war tragend von Fleygur.

 

Am 13.06.2015 kam ein gesundes dunkelbraunes Hengstfohlen zur Welt, er war groß und gesund und trägt den Namen Fjörnir, zu deutsch einer der Leben schützt, ich denke das ist recht passend… Kurz zuvor kam eine kräftige Haflinger-Isländermix Stute zur Welt.

 

So lebt Fleygur nun in seinen beiden Nachkommen weiter.

 

Und mir kommt wieder die Frage der Tierärztin aus der ersten Klinik in den Kopf: 

Meinen sie das die ganze Sache nicht den Wert des Pferdes übersteigt?

NEIN, ich bereue nichts was und wie ich die Dinge getan habe und ich würde es jederzeit wieder tun!!

 

Ruhe in Frieden kleiner Mann, ich werde dich immer lieben und nie vergessen…